Antidepressiva- Anwendung, Wirkung und Nebenwirkungen

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Zusammenfassung
Antidepressiva haben eine stimmungsaufhellende und antriebssteigernde Wirkung. Sie kommen bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen zum Einsatz. Zusätzlich finden sie Anwendung in der Therapie chronischer Schmerzen.
Gewichtszunahme, Magen-Darm-Beschwerden, Unruhe, Herzprobleme und Schweißausbrüche sind mögliche Nebenwirkungen von Antidepressiva.
Was sind Antidepressiva?
Antidepressiva sind eine Gruppe von Medikamenten, welche für Patienten mit Depressionen, Zwangs- oder Angststörungen, chronischen Schmerzen, Demenz oder erektilen Dysfunktionen (Impotenz von Männern) zum Einsatz kommen.
Sie sorgen für die Verbesserung der Stimmung und wirken vor allem im Gehirn und werden je nach Wirkprinzip unterschieden.
Wie wirken Antidepressiva?
Es gibt verschiedene Antidepressiva Arten. Grundlegend wirken sie, indem sie den Abbau der Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin im Gehirn hemmen. Diese Botenstoffe sind notwendig um die Stimmung zu verbessern, den Körper oder Geist zu beruhigen, mehr Antrieb zu geben oder Ängste zu lösen.
Antidepressiva benötigen je nach Erkrankung einige Zeit um ihre Wirkung zu zeigen. Eine beruhigende Wirkung erfolgt schnell, eine angstlösende oder stimmungsaufhellende Wirkung benötigt zwischen 10-14 Tagen.
Zu den klassischen Antidepressiva gehören:
Wirkstoffe, die die Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin hemmen.
- Trizyklische Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer (MRI), z.B. Amitriptylin
- Monoaminoxidase-Hemmer (MAO), z.B. Moclobemid
- Tetrazyklische Antidepressiva, z.B. Mianserin
Neuere Antidepressiva sind:
Wirkstoffe, die zum größten Teil die Wiederaufnahme von Noradrenalin und/oder Serotonin hemmen.
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), z.B. Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram, Sertralin
- Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI), z.B. Reboxetin
- Duale Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI), z.B. Venlafaxin, Duloxetin
- Alpha-2-Antagonisten, z.B. Mirtazaoin
Inhalte der Pflanzenwelt werden nur für leichte Depressionen verwendet. Hier kommt das Johanniskraut (Hypericum) oft zu Einsatz. Achtung: Wer Johanniskraut verwendet, sollte vorsichtig mit Sonnenlicht umgehen. Es kann zu unschönen Flecken auf der Haut führen.
Einige Antidepressiva wurden nur zufällig entdeckt, somit ist der genaue Wirkmechanismus bis heute nicht vollkommen verstanden. Grundlegend wirken sie auf der Ebene einer Synapse. Die Synapse ist die Verbindung von zwei Nervenzellen, zum Beispiel im Gehirn. Nervenzellen können Informationen weitergeben, indem Botenstoffe von der einen Nervenzelle zu der anderen gesendet werden. Beispiele für diese Botenstoffe sind Noradrenalin oder und Serotonin. Forscher gehen davon aus, dass ein Grund für die Entwicklung einer Depression ein zu geringer Spiegel dieser Botenstoffe ist. Diesen Ansatzpunkt verfolgt somit ein Teil der Antidepressiva.
Serotonin- oder Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer verhindern, dass diese freigesetzten Botenstoffe von der Nervenzelle wieder aufgenommen werden. Dadurch ist der Wirkspiegel von Noradrenalin und Serotonin deutlich erhöht. Venlaflaxin und Duloxetin wirken auf die Hemmung der Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahme.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer wirken nur auf die Serotoninaufnahme: Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram und Sertralin sind einige der Wirkstoffe.
Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer wirken nur auf die Hemmung der Noradrenalinaufnahme, so zum Beispiel Reboxetin.
Eine weitere Möglichkeit die Spiegel der Neurotransmitter (Botenstoffe) zu erhöhen besteht darin, ihren Abbau zu hemmen.
Monoaminooxidase (MAO) ist das Enzym, welches für den Abbau verantwortlich ist. MAO-Hemmer sorgen dafür, dass das Enzym nicht mehr arbeitet und sich dadurch der Spiegel der Botenstoffe erhöht. Tranylcypromin und Moclobemid zählen zu den MAO-Hemmern.
Andere Antidepressiva sorgen für die Wiederaufnahmehemmung von Dopamin (ein weiterer Botenstoff, der motivations- und antriebssteigernde Effekte vermittelt).
Eine weitere Gruppe sind die trizyklischen Antidepressiva. Sie hemmen sowohl die Aufnahme von Noradrenalin, Serotonin als auch von Dopamin. Dazu zählen Wirkstoffe wie Imipiramin, Amitryptilin oder Clomipramin.
Nach dem Beginn der Therapie dauert es meistens 10 bis 14 Tage bis eine Wirkung bemerkt wird. Eine beruhigende Wirkung kann früher vorhanden sein. Wenn sich trotzdem nach 6 Wochen keine Verbesserung einstellt, ist das Gespräch mit dem behandelnden Arzt notwendig, um ein besser wirksames Produkt auszusuchen.
Antidepressiva sollten nicht abrupt, sondern ausschleichend abgesetzt werden, da sonst unerwünschte Wirkungen auftreten können, die man auch als Absetzungserscheinungen oder Absetzungssymptome bezeichnen kann. Zu solchen Anzeichen zählen z.B. Kopfschmerzen und Kribbeln am ganzen Körper. Diese können mehrere Wochen bis Monate anhalten. Während der Absetzungsphase ist eine Überwachung durch den Arzt sowie regelmäßige und enge Absprache mit ihm zu empfehlen.
Wie und für welchen Beschwerden werden Antidepressiva angewendet?
Hauptgrund für den Einsatz von Antidepressiva sind Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Schlafstörungen und chronische Schmerzen.
Die Wirkung der Antidepressiva unterscheidet sich untereinander nur minimal. Somit sind vor allem die unerwünschten Nebenwirkungen entscheidend dafür, welches Mittel der Arzt einsetzt.
Nicht eingenommen werden sollten Antidepressiva, wenn folgendes vorliegt:
- Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen
- Niedrige Kalium- oder Magnesiumspiegel im Blut vorliegen
- Eine Operation geplant ist. (Hier muss ein Antidepressivum ggf. kurzzeitig abgesetzt werden)
- Schilddrüsenüberfunktion
Zusätzlich sollte Ihr Arzt vor einer Anwendung eines Antidepressivums informiert werden, wenn Sie folgende gesundheitlich Probleme haben oder hatten:
- Engwinkelglaukom (Sehverlust durch erhöhten Augeninnendruck)
- Epilepsie, Zuckungen, Krampfanfälle in der Vorgeschichte
- Probleme beim Wasserlassen
- Vergrößerter Prostata
- Schilddrüsenerkrankungen
- schwere Lebererkrankung
- schwere Herzerkrankung
- Verengung des Magenausganges oder Darmverschluss
- Diabetes melitus (Zuckerkrankheit), da hier ggf. das Medikament zur Behandlung des Diabetes angepasst werden muss
Jeder Wirkstoff hat eigene Kontraindikationen, also Erkrankungen oder körperliche Gegebenheiten, welche gegen die Verwendung sprechen.
Auch in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern ist der Einsatz genau zu prüfen.
Ihr behandelnder Arzt erfragt Ihre Begleiterkrankungen. Er macht sich ein genaues Bild über Ihre gesundheitliche Situation und entscheidet danach, welches Antidepressivum für Sie am besten geeignet ist.
Welche Nebenwirkungen können bei Antidepressiva auftreten?
Antidepressiva können neben den erwünschten auch unerwünschte Wirkungen auslösen. Anzeichen hierfür sind:
- Mundtrockenheit
- vermehrtes Schwitzen
- Gewichtszunahme
- Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung
- Herzrhythmusstörungen
- Unruhe, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Schwindel
- Blutdruckabfall
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Störungen beim Wasserlassen
Um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen sind regelmäßige Kontrollen der Blutwerte nötig. Ärzte kontrollieren dabei die Menge der Blutzellen und die Nieren- und Leberfunktion, sowie Kalium- und Magnesiumwerte durch Blutentnahmen. Zusätzlich ist es wichtig, die Herzfunktion zu überprüfen. Einige Antidepressiva verursachen Herzrhythmusstörungen. Ein Elektrokardiogramm (EKG) zeichnet den Herzrhythmus auf und kontrolliert diesen. Treten Komplikationen auf, besteht die Möglichkeit einzugreifen und das Antidepressivum frühzeitig abzusetzen.
Die Kontrolle der Blutwerte und der Herzfunktion erfolgt bereits vor der Anwendung, um einen Vergleichswert zu haben, und sollten dann alle 3-6 Monate wiederholt werden.
Gibt es Wechselwirkungen mit Antidepressiva?
Je nach Art liegen unterschiedliche Wechselwirkungen vor. Die wichtigsten sind hier aufgeführt:
Trizyklische Antidepressiva mit:
- MAO-Hemmer (z.B. Moclobemid, Selegilin), können zu einem s.g. Serotoninsyndrom führen. Dies zeigt sich mit Verwirrung, hohem Blutdruck, Zittern
- Sympathomimetika (z.B. Formoterol, Ephedrin) können Effekte am Herzen verstärken
- Blutdrucksenkende Mittel (z.B. Clonidin, Methyldopa) können eine verminderte Wirkung aufweisen
- Wirkstoffe, die zu EKG-Veränderungen führen (z.B. Chinidin, Terfenadin, Sotalol), können das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen
- Alkohol kann die beruhigende Wirkung verstärken
Monoaminoxidase-Hemmer mit:
- anderen Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Fluoxetin, Paroxetin), Schmerzmittel (z.B. Tramadol, Methadon) und weitere Stoffe (z.B. Dextromethorphan, Johanniskraut, Mirtazapin) erhöhen das Risiko eines Serotoninsyndroms
- Pseudoephedrin, Phenylephrin, Ephedrin und Phenylpropanolamin können zu stark erhöhtem Blutdruck führen
- Achtung: Tyraminhaltige Lebensmitteln verstärken die unerwünschten Wirkungen der MAO-Hemmer. Tyramin ist in Rotwein, Käse, Schokolade oder konservierte Lebensmittel. Es ist sinnvoll auf diese Lebensmittel zu verzichten, wenn man einen MAO-Hemmer einnimmt.
Tetrazyklische Antidepressiva mit:
- Mao-Hemmer sollen nicht gleichzeitig verwendet werden. Die MAO-Hemmer sollten seit mindestens 2 Wochen beendet sein
- Alkohol verstärkt die Wirkung
- Arzneimittel zur Behandlung eines zu hohen Blutdrucks können eine verminderte Wirkung zeigen
Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) mit:
- Betablocker (z.B. Metoprolol) können ein Therapieversagen nicht ausschließen
- Blutverdünner oder entzündungshemmende Schmerzmittel (z.B. Ibuprofen, Diclofenac) erhöhen die Blutungsneigung. Anzeichen hierfür sind blaue Flecken, vermehrte Blutungen, verlängerte Blutungszeit.
Selektive Noradrenalin-/Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNDRI) mit:
- Digoxin zur Behandlung von Herzerkrankungen. Der Wirkstoffspiegel des Herzmedikamentes muss engmaschig kontrolliert werden
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SNRI) mit:
- Antibiotika (z.B. Clarithromycin), Mittel gegen Pilzinfektionen (z.B. Ketoconazol), virenhemmenden Präparate (z.B. Ritonavir) können den Wirkstoffspiegel des Antidepressivums erhöhen
Allgemeine Tipps und Hinweise:
- Sprechen Sie über Ihre Ängste, Sie werden sehen, Sie sind nicht allein. Gespräche mit anderen können unterstützend wirken. Auch Selbsthilfegruppen sind für viele unterstützend.
- Gehen Sie regelmäßig zu Ihren ärztlichen Kontrollen. Blutwerte, Blutdruck und Herzfunktion sollten regelmäßig überprüft werden.
- Lassen Sie mal die Seele baumeln, indem Sie z.B. einen Spaziergang durch den Wald machen.
- Entspannungsübungen können helfen. Versuchen Sie es mal mit Yoga oder autogenem Training.
Veröffentlicht am: 02.05.2024
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ATC Code(s)
ATC Codes sind internationale Klassifikationen von Wirkstoffen und Arzneimitteln.
- N06A, N06AX
- Quelle: Gelbe Liste
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Quellen
Bönisch, H.: Duale Reihe Pharmakologie und Toxikologie. Thieme, Stuttgart 2016
Leucht, S.: Kurzlehrbuch Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2018
Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN): Unipolare Depression (Stand 2015). AWMF-Leitlinienregisternummer nvl-005
Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e. V. (DGPM): Behandlung von Angststörungen (Stand 04/2021). AWMF-Leitlinienregisternummer 051-028
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