Verhaltenstherapie – vielfältig einsetzbar

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Zusammenfassung
Die Verhaltenstherapie ist eine Form der Psychotherapie und kommt bei einer Vielzahl psychischer Erkrankungen zum Einsatz, darunter beispielsweise Panik- oder Angststörungen, Zwangsstörungen, Depressionen oder Schizophrenie. Im Rahmen der Behandlung sollen unerwünschte Verhaltensweisen verlernt und durch neue Verhaltens- und Denkweisen ersetzt werden. Je nach Erkrankung kommen dabei verschiedene Behandlungsansätze zum Einsatz.
Was ist Verhaltenstherapie?
Die Verhaltenstherapie ist eine Form der Psychotherapie. Sie beruht auf der Annahme, dass jede Verhaltensweise schrittweise erworben wird, aber auch wieder verlernt werden kann. Psychische Störungen lassen sich demnach als ein fehlerhaft erlerntes Verhalten verstehen. Die Verhaltenstherapie – anders als die Psychoanalyse - zielt darauf ab, dieses abzulegen, indem man eine andere, angemessene Erlebens- und Verhaltensweise erlernt.
Dabei setzt die Verhaltenstherapie an der jeweilig bestehenden Problematik an und wird individuell auf den jeweiligen Fall zugeschnitten. So können bei verschiedenen Erkrankungen unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen. Die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Verfahren ist heutzutage wissenschaftlich gut belegt. Sie lassen sich außerdem bei einer Vielzahl von Störungen anwenden.
Wann führt man eine Verhaltenstherapie durch?
Die Verhaltenstherapie zählt zu den am häufigsten eingesetzten psychotherapeutischen Verfahren. Sie kommt bei einer Reihe von Störungen, Erkrankungen und Konfliktsituationen zum Einsatz. Dazu zählen beispielsweise Angststörungen, Essstörungen, Depressionen, Suchterkrankungen, Zwangsstörungen, psychosomatische Störungen, Schizophrenie oder sexuelle Funktionsstörungen.
Wenn Sie das Gefühl haben, eine psychische Erkrankung oder Störung zu haben, sollten Sie Ihren Hausarzt ansprechen, die Ihnen Kontaktdaten von Psychotherapeuten geben kann. Sie können zuerst Probesitzungen vereinbaren, um den Therapeuten kennenzulernen und festzustellen, ob sich ein Vertrauensverhältnis entwickeln kann. Grundsätzlich zahlt die gesetzliche Krankenkasse die Verhaltenstherapie.
Was wird bei der Verhaltenstherapie gemacht?
Was bei einer Verhaltenstherapie im Einzelnen gemacht wird, hängt von der zugrundeliegenden Erkrankung oder Störung ab. Zu Beginn findet ein Gespräch mit dem Psychotherapeuten statt, in dem das eigentliche Problem und die möglichen Ursachen besprochen und analysiert werden. Auf diese Weise lässt sich klären, welche Faktoren zu bestimmten Reaktionen führen und welcher Behandlungsansatz am vielversprechendsten ist. Anschließend lassen sich die Therapieziele festlegen und ein individueller Behandlungsplan erstellen.
Je nachdem, welche Erkrankung oder Störung vorliegt, wendet der Therapeut im Rahmen der Behandlung verschiedene Techniken einzeln an oder kombiniert sie miteinander. So passt er die Verhaltenstherapie dem jeweiligen Fall an. Auf diese Weise sollen Menschen, die beispielsweise von einer Zwangsstörung betroffen sind, angemessene Verhaltensweisen erlernen. Ein weiteres Ziel der Behandlung ist es, prädisponierende, sprich anfällig machende, auslösende und aufrechterhaltende Einflussfaktoren zu verlernen.
Zu den verschiedenen Techniken der Verhaltenstherapie zählen unter anderem:
- Kognitive Verhaltenstherapie
Kognitive Behandlungsansätze dienen dazu, das eigene Verhalten zu beobachten, Probleme zu erkennen sowie Alternativen zu entwickeln. Auf diese Weise sollen etwa Menschen mit einer Angst- oder Zwangsstörung die Erfahrung machen, dass sie selbst die Kontrolle über eine Situation oder Ähnliches übernehmen können.
- Rollenspiele
Hierbei lernen Menschen mit einer sozialen Phobie oder anderen Erkrankungen in Rollenspielen Verhaltensweisen kennen, mit denen sie künftig die für sie schwierigen Situationen besser bewältigen sollen.
- Beobachtungslernen (Modelllernen)
Diese Technik zielt darauf ab, anhand eines Vorbildes zu erlernen, wie man sich in bestimmten Situationen richtig verhält. Diesen Behandlungsansatz wendet der Therapeut beispielsweise bei Menschen mit einem Waschzwang an und demonstriert ihnen das „normale“ Händewaschen. Das Prinzip dieser Technik besteht darin, die Verhaltensweisen anderer Menschen zu beobachtet und nachzuahmen.
- Konfrontationstherapie
Die Reizkonfrontation, auch Exposition, soll betroffenen Personen dazu dienen, Ängste abzubauen, die sie in bestimmten Situationen empfinden. Diese Form der Verhaltenstherapie kommt beispielsweise bei Menschen mit Angst- oder Panikstörrungen zum Einsatz, beispielsweise bei spezifischen Phobien gegen Spinnen oder sozialen Ängsten. Auch bei Ess- oder Zwangsstörungen, wie Magersucht (Bulimie) oder zwanghaftem Händewaschen, findet sie Anwendung. Dazu werden betroffene Personen dazu ermutigt, Situationen oder Gedanken, die in ihnen Angst auslösen, nicht länger zu vermeiden. Man unterscheidet hierbei zwischen zwei unterschiedlichen Herangehensweisen. Bei der sogenannten systematischen Desensibilisierung geht man davon aus, dass Angst und Entspannung nicht zur gleichen Zeit existieren können. Man stellt sich daher schrittweise seinen Ängsten, während man gleichzeitig Entspannungsmethoden anwendet. Anders funktioniert dies bei der zweiten Methode, der Reizüberflutung. Hier setzt man sich von Beginn an dem Reiz aus, der in einem am meisten Angst verursacht und hält die Situation so lange aus, bis die Angst nachlässt. Dabei soll man die Erfahrung machen, dass die erwarteten negativen Erlebnisse nicht eintreffen.
- Operante Konditionierung
Diese Technik zielt darauf ab, erwünschte Verhaltensweisen mit einer positiven Erfahrung zu verknüpfen. Dabei kann es sich um eine Belohnung materieller Art, aber auch um Lob, Zuwendung oder Ähnliches handeln. Das Verfahren beruht auf der Annahme, dass positive Folgen Menschen dazu anregen, ein bestimmtes Verhalten häufiger durchzuführen.
- Störungsspezifische Verfahren
Störungsspezifische Verfahren sind inzwischen für eine Vielzahl von Krankheitsbildern entwickelt worden. Als Beispiele für störungsspezifische Methoden gelten etwa die sogenannte Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Dabei steht die Störung der Affektregulation im Vordergrund, wie sie etwa bei Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen vorkommt. Unter Affektregulation versteht man die Fähigkeit, die durch unangenehme Erfahrungen ausgelösten negativen Emotionen langfristig zu kontrollieren. Während der Behandlung werden Bewältigungsstrategien vermittelt, die dabei helfen sollen, mit Spannungszuständen besser klarzukommen. Zwar wurde die DBT in erster Linie für die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörungen entwickelt, kommt aber zunehmend auch bei Suchterkrankungen, Essstörungen und Störungen der Impulskontrolle zum Einsatz. Ein weiteres Beispiel solcher Verfahren ist das sogenannte Cognitive Behavioral Analysis System for Psychotherapy (CBASP). Dieses wurde speziell zur Behandlung von chronischen Depressionen entwickelt. Hierbei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz, darunter beispielsweise die Analyse bestimmter Situationen oder das Trainieren von Verhaltensfertigkeiten.
Welche Risiken bestehen bei der Verhaltenstherapie?
Wie viele andere Behandlungsmethoden ist auch die Verhaltenstherapie nicht frei von Risiken. Das gilt beispielsweise für die Konfrontationstherapie. Zwar handelt es sich hierbei um eine sehr effektive Methode zur Behandlung vieler Erkrankungen, dennoch birgt sie gewisse Risiken. Setzt sich beispielsweise eine Person mit einer Angststörung einer für sie furchteinflößenden Situation aus und hält sie dieser nicht stand, wird sie die Exposition womöglich frühzeitig abbrechen. Dies kann nicht nur zu großer Enttäuschung, sondern auch zu einer Demotivation führen.
Auch die Stigmatisierung stellt ein weiteres mögliches Risiko für Menschen dar, die eine Verhaltenstherapie machen. Durch diese erfahren sie unter Umständen Ablehnung und Ausgrenzung im Freundes- oder Familienkreis sowie in der Berufswelt. Außerdem erschwert die Tatsache, dass eine solche Therapie stattfindet (oder stattgefunden hat) der Person möglicherweise den Abschluss bestimmter Versicherungen.
Da die Anzahl von psychischen Diagnosen in Deutschland in den letzten Jahren stark zugenommen hat und sich zudem auch bekannte Persönlichkeiten wie Sportler zu einer psychischen Erkrankung bekennen, liegt die Vermutung nahe, dass immer mehr Menschen Verständnis für psychische Erkrankungen und ihre Therapie aufbringen und Betroffene nicht verurteilt oder ausgegrenzt werden.
Vor Beginn einer Verhaltenstherapie ist es wichtig, dass der Therapeut über mögliche Risiken und Nebenwirkungen aufklärt.
Mit Nebenwirkungen richtig umgehen
Es ist wichtig, dass der Psychotherapeut vor Behandlungsbeginn nicht nur über den Nutzen der jeweiligen Behandlung aufklärt, sondern auch mögliche Nebenwirkungen und Konsequenzen in einem Gespräch besprochen werden. Treten unerwünschte Nebenwirkungen während oder nach einer Psychotherapie auf, sollte dies dem Therapeuten gegenüber offen kommuniziert werden. Dieser wird dann prüfen, ob die Therapie korrekt durchgeführt wurde. Auch sollte man sich nicht scheuen, das Gespräch mit dem Therapeuten zu suchen, wenn sich der erhoffte Behandlungserfolg nicht einstellt. Dann ist gegebenenfalls eine Anpassung des Behandlungsplans notwendig.
Was ist bei der Verhaltenstherapie zu beachten?
Es genügt nicht, bloß die Ursache für sein Problem zu erkennen. Damit die Verhaltenstherapie erfolgreich verläuft, bedarf es darüber hinaus der eigenen aktiven Mitarbeit. Die Therapie soll Anreize schaffen, neue Verhaltens- oder Erlebnisweisen auszuprobieren. Außerdem hilft sie dabei, alltagstaugliche Strategien zu entwickeln, um auftretende Probleme zu lösen. Auch genügt es nicht, ein verändertes Verhalten ausschließlich während der Verhaltenstherapie einzuüben. Für den Behandlungserfolg ist es notwendig, die neu erlernten Strategien zwischen den einzelnen Behandlungssitzungen im alltäglichen Leben anzuwenden. Ziel ist es, bestimmte Situationen oder Probleme auch ohne die Anwesenheit des Therapeuten zu bewältigen.
Grundsätzlich wird neben einer Verhaltenstherapie empfohlen, regelmäßig Sport zu treiben, sich gesund zu ernähren, genügend zu schlafen und möglichst wenig Stress zuzulassen, um eine stabile und gesunde Psyche aufzubauen.
Die Einnahme von bestimmten Medikamenten (vor allem Antidepressiva) kann eine Verhaltenstherapie unterstützen.
Veröffentlicht am: 01.08.2023
Quellen
[1] Neurologen und Psychiater im Netz. Psychotherapie: Verhaltenstherapie. https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/psychotherapie/verhaltenstherapie
[2] Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online. Verhaltenstherapie. https://www.pschyrembel.de/Verhaltenstherapie/K0NP1/doc/ (Stand 04.2020)
[3] Neurologen und Psychiater im Netz. Psychotherapie: Psychotherapie: Techniken der Kognitiven Verhaltenstherapie. https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/psychotherapie/techniken-der-kognitiven-verhaltenstherapie
[4] Margraf, J. et al.: Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Springer Verlag (2018)
[5] Linden, M. et al.: Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie. Medizinische Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (2018)
[6] Meszaros, K. (2000). Modelllernen. In: Stumm, G., Pritz, A. (eds). Wörterbuch der Psychotherapie. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-99131-2_1183
[7] Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online. Dialektisch-behaviorale Therapie. https://www.pschyrembel.de/Dialektisch-Behaviorale%20Therapie%20/K0QAW/doc/ (Stand 07.2022)
[8] Onlinelexikon für Psychologie und Pädagogik: Affektregulation. https://lexikon.stangl.eu/7621/affektregulation#:~:text=Als%20Affektregulation%20bezeichnet%20man%20die,Siehe%20auch%20Affektkontrolle.
[9] Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online. Cognitive Behavioral Analysis System for Psychotherapy (CBASP). https://www.pschyrembel.de/Cognitive%20Behavioral%20Analysis%20System%20for%20Psychotherapy/P06FE (Stand 03.2018)
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